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Stakeholdereinbindung

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„Licence to operate“ – Anerkennung durch Stakeholdereinbindung

Fotos: Stefan Lechner l Text: Annika Burger

Im FSC-zertifizierten Wald der Stadt Lohr am Main wird Nachhaltigkeit groß geschrieben. Neben der Ökonomie und Ökologie gehört auch die Gesellschaft zu den Grundpfeilern, die das Handeln im Lohrer Kommunalwald bestimmen. Deswegen ist Öffentlichkeitsarbeit für Forstamtsleiter Michael Neuner ein großes Anliegen. Dabei hilft ihm auch die FSC-Zertifizierung: sie steht für Glaubwürdigkeit und Legitimation nach außen.


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„Meine Vision ist, die vielfältigen Funktionen des Waldes für die Tiere, die Pflanzen und den Menschen sicherzustellen, zu verbinden – aber auch zu erklären“. Michael Neuner steht inmitten des Lohrer Kommunalwalds und schildert, was ihn im Rahmen seiner Arbeit als Leiter des städtischen Forstamts antreibt. Er nennt es die „Licence to operate“, also die gesellschaftliche Anerkennung oder vielmehr das öffentliche Verstehen für sein Handeln im Wald, das für ihn ganz zentral sei. Deswegen spiele neben Verwaltungs- und Steuerungsaufgaben auch die Öffentlichkeitsarbeit eine große Rolle. Sie macht etwa 20% seiner Arbeit aus, innerhalb derer er sich als eine Art Botschafter für integrative Waldwirtschaft begreift: „Die Kunst ist es heutzutage, Waldbewirtschaftung mit den ganzen anderen gesellschaftlich wichtigen Themen zu verbinden. Ich möchte Leute in den Wald bringen, sie für unsere Themen sensibilisieren und unsere Botschaften weiterbringen.“ Er erlebe eine zunehmend urbanisierte Bevölkerung mit großem Wunsch nach Wildnis, die aber gar nicht wisse, was Wildnis eigentlich sei.
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Im Rahmen von Begehungen im Bestand erklärt Herr Neuner deswegen interessierten Gruppen, was nachhaltige Waldbewirtschaftung, nachhaltige Ökosystempflege und naturgemäße Waldbewirtschaftung ist. Er erläutert, was es für Ideen gibt, Naturschutz und Naherholung in die Bewirtschaftung zu integrieren und legt am Beispiel eines Hiebs, also dem Fällen von Bäumen, dar, dass etwa 35 Kriterien bedacht werden müssten, bevor überhaupt nur ein Baum fiele. Ziel sei zu vermitteln, dass Waldwirtschaft nicht Kahlschlag bedeute, und dass Naturschutz und Waldwirtschaft vereinbar seien. „Da hilft uns FSC für die Glaubwürdigkeit“, so der Förster, „weil es das von außen legitimierte nachhaltige System ist.“
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Denn sowohl der Zertifizierungsprozess als auch die Zertifikatsvergabe erfolgt durch unabhängige Zertifizierungsstellen. In jährlich stattfindenden Überprüfungen, den sogenannten Audits, wird die Einhaltung der FSC-Vorgaben durch die Zertifizierungsstellen kontrolliert und dokumentiert. Die Indikatoren für die 70 Kriterien decken dabei nicht nur ökologische und ökonomische Themenfelder im Wald ab, sondern auch ein breites Feld sozialer Aspekte. Das unabhängige Prüfverfahren erhält zusätzlich Transparenz, indem sowohl alle Prüfberichte öffentlich über die FSC-Datenbank abrufbar sind, aber auch Interessierte auf Antrag an den Vor-Ort-Audits teilnehmen können.
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FSC bezeichnet interessierte Gruppen, aber auch die lokale Bevölkerung, Mitarbeitende des Forstbetriebs, ansässige verarbeitende Unternehmen oder Organisationen und Vereine als sogenannte Stakeholder (eng.: Interessengruppen). Entsprechend versteht das Zertifizierungssystem deren Beteiligung als Stakeholderbeteiligung. Sie spielt in jedem FSC-Standard weltweit eine sehr große Rolle. So greift auch der Deutsche FSC-Standard das Thema an vielen Stellen auf, unter anderem unter Prinzip 4, Beziehungen zur lokalen Bevölkerung. Dazu gehört auch die Einbindung der örtlichen Sägewerke, wie Herr Neuner zu berichten weiß: „Für uns ist es ganz zentral, dass wir unser Holz aus dem Stadtwald regional und an Kleinkunden vermarkten.“ Natürlich sei auch die große Sägeindustrie ein Partner, aber nicht nur. Das Kundenportfolio sei mit etwa 65 stofflichen Kunden breit aufgestellt. „Heimat zu pflegen und regionale Kreisläufe zu stärken, treiben mich in meiner Arbeit an.“
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Wo über Stakeholderbeteiligung gesprochen wird, liegt das Thema der FSC-Ökosystemleistungen nicht fern. Es geht um Waldpartnerschaften, die durch marktbasiertes Sponsoring von Unternehmen FSC-zertifizierte Forstbetriebe dabei unterstützen, Gemeinleistungen des Waldes wie Erholung, Erhalt der Biodiversität oder CO2- und Wasserspeicherung bereitstellen zu können. Das Sponsoring eröffnet nachhaltige Einnahmequellen, die zu einer Entlastung der Forstbetriebe und damit des Waldes führen. Entsprechende Maßnahmen im Wald werden durch unabhängige Zertifizierungsunternehmen evaluiert und gewinnen so an Glaubwürdigkeit. Der Lohrer Kommunalwald setzt bisher jedoch nicht auf FSC-Ökosystemleitungen, sondern auf bereits bestehende regionale Partnerschaften, beispielsweise die mit der gemeinnützigen Spessart Baum GmbH, die für den aktiven Waldumbau einer Lohrer Kalamitätsfläche die Eichenpflanzen gesponsert hat.
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„Was mir bei dieser Form von Partnerschaften wichtig ist“, betont der Forstamtsleiter, „dass es kein Greenwashing ist und, dass die Leute dahinterstehen“. Die Projekte müssten sinnvoll sein und in die ökologisch-wirtschaftliche Linie vor Ort passen. Dann seien öffentlich-private Partnerschaften wertvoll, denn mit ihrer Hilfe könnten Dinge ins Rollen gebracht werden, die der Betrieb aus eigener Kraft nicht unbedingt umsetzen könne. So soll in Lohr künftig Umweltbildung stärker in den Fokus gerückt und Nachhaltigkeitsthemen im Wald, etwa in Form von Lehrpfaden, praxistauglich vermittelt werden. „Da sehe ich private Unternehmen als gute Partner, Nachhaltigkeitsthemen zu transportieren“, so Neuner.
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Wald ist nicht nur Erholungs- und Lernort sondern auch ein wichtiger Arbeitgeber. Und so ist das Thema Mitarbeitende sowohl im FSC-Standard als auch im Forstamt von Lohr ein ganz wichtiges, wie Herr Neuner berichtet: „Wir setzen auf eigenes gut ausgebildetes Personal, das wertschöpfend arbeitet. Und diese Arbeit meiner Beschäftigten wird von den Entscheidungsträgern der Stadt sehr wertgeschätzt“. Wertschätzung, die auch im FSC-Waldstandard verankert ist. Dort behandelt das Prinzip 2 die Arbeitnehmerrechte und Arbeitsbedingungen: „Der Forstbetrieb erhält oder verbessert die soziale und wirtschaftliche Situation aller im Forstbetrieb Beschäftigten“. Arbeitssicherheit, Qualifikation und Lohnvereinbarungen, sind unter anderem Kriterien, die dabei eine Rolle spielen und Wirkung zeigen:
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Eine Umfrage unter Deutschlands Förstern im Rahmen der 2022 veröffentlichten FSC-Wirkungsstudie ergab, dass die Zahl der Arbeitsunfälle bei 91 % der FSC-Forstbetriebe seit Beginn der FSC-Zertifizierung gesunken ist. Die Zusammenarbeit mit Stakeholdern und Interessengruppen hat sich für 86 % der Forstbetriebe durch die FSC-Zertifizierung verbessert. Darüber hinaus hat bei 41 % der Betriebe die FSC-Zertifizierung dazu geführt, dass vermehrt Motorsägen-Schulungen absolviert werden. „Hoch qualifiziertes, gut ausgebildetes Personal mit einer hohen Bindung an den Betrieb sind extrem wichtig, das sind Partnerschaften“, betont auch Förster Neuner. Dazu gehöre für das städtische Forstamt auch, Ausbildungsbetrieb zu sein. Denn auch das sei eine Form der Nachhaltigkeit: Berufsanfängerinnen und -anfänger von heute fit für den Wald von morgen machen.



Nähere Informationen zur Stakeholderbeteiligung im FSC-System finden sich auf unserer Internetseite hier…

Ein Artikel zur integrativen Waldwirtschaft im Lohrer Stadtwald mit Themen wie Waldumbau, Klimaresilienz, Holzvermarktung, Kaskadennutzung und Jagdmanagement ist als Erfahrungsbericht auf unserer Internetseite veröffentlicht. >> Zum Artikel
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