Hinweis

Für dieses multimediale Reportage-Format nutzen wir neben Texten und Fotos auch Audios und Videos. Daher sollten die Lautsprecher des Systems eingeschaltet sein.

Mit dem Mausrad oder den Pfeiltasten auf der Tastatur wird die jeweils nächste Kapitelseite aufgerufen.

Durch Wischen wird die jeweils nächste Kapitelseite aufgerufen.

Los geht's

FSC im Privatwald Brandenburg

Logo https://fscdeutschland.pageflow.io/fsc-im-privatwald-brandenburg/embed

Zum Anfang
In einem Waldstück nahe Elsterwerda präparierten SS-Mannschaften im Frühjahr 1945 einen Munitionsbunker mit Sprengladungen. Die Sowjets rückten näher, sie hatten bereits Oder und Neiße überschritten und standen kurz vor der Eroberung von Berlin.

Mehrere Detonationen durchschnitten die Stille des Waldes. Munitionsreste fielen in einem Radius von 500 Metern zwischen die Bäume. Wie viel explosionsfähiges Material dort bis heute noch liegt, weiß niemand. Und erst recht nicht wo.

Was sicher ist: Das Waldstück gehört heute zum Forstbetrieb von Lutz Freytag. Es passiert öfters einmal, dass er zusammen mit dem Kampfmittelräumdienst in seinen etwa 350 Hektar großen Wald im südlichen Brandenburg fährt.

So auch heute. Bei Waldarbeiten wurden Munitionsreste gefunden und mit neongrüner Sprühfarbe markiert. Die Fachleute sichten die Stelle und merken schnell, dass der Rost bereits die Entschärfungsarbeit verrichtet hat. „Der Zünder ist durch“, sagt einer der Kampfmittelexperten. Ein kleiner Schnack noch, dann fahren sie weiter.
Zum Anfang
Freytag lehnt sich an seinen alten VW-Kübelwagen aus Bundeswehrbeständen, mit dem er hier durch das bisweilen unwegsame Gelände fährt. „Die Munitionsreste werden mit der Zeit gefährlicher. Sie werden im Boden hochgefroren“, sagt er. Das heißt: Der Frost drückt sie im Erdreich nach oben.

Das gesamte Waldgebiet befindet sich vollständig in einem Naturschutzgebiet. Zirka 90 Hektar sind Reservat, hier betreibt Freytag ausschließlich Naturschutz. Auf den übrigen 240 Hektar ist eine behutsame Nutzung gestattet. Mit Einschränkungen, freilich, es dürfen nur heimische Baumarten gepflanzt werden, Kahlschlagmethoden sind generell untersagt.

Freytag hat sich eher unbewusst für dieses Waldstück entschieden, als er es vor mehr als zwölf Jahren erwarb. „Ich habe mir den Markt angeschaut, und man durfte damals nicht allzu wählerisch sein.“ Freytag betreibt nachhaltige Waldwirtschaft, aus Überzeugung. Und dieser besondere Forst, mit all seiner Geschichte, seinen Besonderheiten – er passt doch gut zu dem gebürtigen Niedersachsen, der mittlerweile in der Nähe von Magdeburg lebt.
Zum Anfang

Munitionsdepot im Wald

Nach der Wehrmacht haben hier die Sowjets ein Munitionsdepot unterhalten. Derzeit wird im Rahmen einer Doktorarbeit untersucht, ob sich in den zahllosen Bunkern auch Atomwaffen befanden. In ungenutzten Teilen des Waldes befinden sich noch Überreste der Sowjetzeit: Aus einer Senke ragt der verrostete Rumpf eines Militärbusses hervor. Direkt daneben steht ein alter, ausgeschlachteter Mannschaftstransportwagen.

Nach der Wende und dem Abzug der russischen Armee stand das Gelände zum Verkauf, doch einige Investoren sprangen ab, weil ihnen das Kampfmittelrisiko zu groß war. Freytag entschied sich, in dieses besondere Stück Wald zu investieren. Er kaufte es im Januar 2007, an jenem Tag, als der Sturm Kyrill über Deutschland tobte. „Das war ein Bangen, es hätte ja sein können, dass die Holzpreise jahrelang am Boden liegen“, sagt Freytag. „Am Ende sind hier zum Glück nur fünf Bäume umgefallen. Und mit Waldbränden und Kampfmitteln habe ich in der kurzen Zeit viel Erfahrung gesammelt.“

Weil er seinen Wald nachhaltig und extensiv bewirtschaftet und damit bereits viele Bedingungen des FSC erfüllte, entschied sich Freytag dafür, seinen Wald zertifizieren zu lassen. „Ich habe mir erhofft, dass auch die Außenwirkung positiv ist, der Kontakt mit Behörden und Verbänden. Da ich als ‚Aufbaubetrieb‘ wenig Holz verkaufe, ist ein Produktzertifikat eigentlich nicht so passend“, sagt er. Bessere Preise hat ihm das Zertifikat bisher nicht eingebracht. „Und dann habe ich auch auf einen einfacheren Marktzugang in schlechten Phasen gehofft, zum Beispiel nach Stürmen. In der derzeitigen Trockenkatastrophe hilft aber auch das nicht mehr.“
Zum Anfang

FSC-Zertifizierung in der Praxis

Mehrere Hundert Euro im Jahr gibt er dafür aus, dass sein Wald auch künftig FSC-zertifiziert ist. „Wenn ich die erhoffte positive Außenwirkung ausklammere, dürfte ich es eigentlich nicht machen.“ Probleme bereitet ihm der neue FSC-Standard 3-0, der seit Juni 2018 gültig ist. Der sieht unter anderem vor, dass nur noch 13,5 Prozent der Waldflächen befahren werden dürfen. Das soll dem Bodenschutz dienen. In der Praxis führt das dazu, dass größere Teile des Rückegassensystems aufgegeben werden müssten, um den Mindestabstand von 40 Metern zu erreichen, als Rechenbeispiel nennt der Standard zwei Drittel der Fläche. Danach bräuchte Freytag jedoch neues Gerät: Denn die Greifarme seiner Erntemaschinen haben links und rechts der Gassen nur eine Reichweite von zehn Metern.

„Wenn die Rückegassenabstände auf 40 Meter erweitert werden, führt das zu höheren Kosten durch manuelle Fällarbeiten und zum Beispiel Rückepferde“, sagt Freytag. „Auf fruchtbaren Waldböden in Süddeutschland mit reichlich Niederschlag und dem doppelten Holzzuwachs kann das wirtschaftlich tragfähig sein „Zusätzliches Holz will ich nicht ernten, um das zu finanzieren, denn ich arbeite auf vorratsreiche und naturnahe Mischbestände hin. Ich rechne damit, dass im eiszeitlich geprägten Norddeutschland einige ihr Zertifikat abgeben müssen“, so Freytag.
Zum Anfang
Elmar Seizinger, Leiter Waldbereich beim FSC, kennt die Debatte um den neuen Standard. Der vorgesehene 40-Meter-Abstand bei den Zufahrtswegen war früher schon Teil der Bedingungen. „Es sollte Ausnahmen bei den Rückegassen geben. Die mussten aber fachlich begründet sein. Das hat aber dazu geführt, dass die eigentlich geforderten 40 Meter die Ausnahme waren und nicht 20 Meter. Das war nie gewollt.“ Die neue Lösung sei im Dialog aller Beteiligten im FSC-Prozess entstanden.

Privatwaldbesitzer sind eher die Ausnahme unter den FSC-zertifizierten Forstbetrieben in Deutschland. Seizinger nennt drei Gründe, warum das so ist. Einerseits sei das regelmäßige Audit vor allem für jene Betriebe interessant, die externe Dienstleister beschäftigten. Dazu zählen Besitzer von kleineren Waldbetrieben eher selten. Auch die Tatsache, dass man mit dem FSC-Zertifikat werben kann, spielt vor allem für größere Betriebe eine Rolle. Und dann sei da noch die Situation am Holzmarkt. Dort müssen Privatwaldbesitzer mit den FSC-zertifizierten Landesbetrieben konkurrieren. „Es gibt also riesige Mengen an FSC-Holz in Deutschland, ohne dass die Landesbetriebe höhere Preise dafür verlangen“, so Seizinger.
Zum Anfang

Kritik an den Standards zur Motorsägenverwendung

Ein Kritikpunkt am neuen Standard sind die Dokumentationspflichten, vor allem im Zusammenhang mit der Motorsägenqualifikation. Seizinger versteht die Kritik von kleineren Forstbetrieben, verweist aber darauf, dass bei der Ausarbeitung von FSC-Standards auch die Umwelt- und die Sozialkammer beteiligt ist. „Gewerkschaftsvertreter würden sagen: Selbstverständlich muss man die Qualifikationen nachweisen für Leute, die im Wald arbeiten“, glaubt Seizinger. „Wenn etwas passiert also eine Person zu Schaden kommt, würden sich die Menschen zu Recht fragen, wie so etwas passieren konnte, in einem FSC-Wald.“

Für Waldbesitzer soll es deswegen zukünftig einen Katalog geben, in dem einfach beschrieben wird, wie mit möglichst geringem Aufwand ein FSC-Zertifikat zu bekommen ist.
Zum Anfang
Die Dokumentationspflichten sind auch für Michael Duhr ein Problem. „Ich halte die Einführung des europäischen Motorsägenzertifikats für lebensfremd“, sagt er. „Die Sozialkammer sagt: Das müsst ihr doch wollen. Doch das sind Dinge, die aus Ablaufprozessen bei größeren Unternehmen kommen. Ich bin als Privatwaldbetreiber nicht in der Lage, Subunternehmer zu kontrollieren.“

Duhr glaubt, dass der FSC ein Strukturproblem habe. „Wir haben es mehrfach erlebt, dass nach Absprache der Sozial- und Umweltkammern die Beschlüsse der Wirtschaftskammern torpediert wurden. Da wurden inhaltliche Standards, die von uns als praktizierende Betriebe eingebracht wurden, aufgrund von gewissen Denkmustern grundsätzlich abgelehnt.“

Der studierte Forstwissenschaftler und Theologe bewirtschaftet seinen 210 Hektar großen Forstbetrieb in Märkisch Luch, einer Gemeinde in Brandenburg, etwa eine Autostunde von der Berliner Stadtgrenze entfernt.
Zum Anfang

FSC von Anfang an

Duhr zählt zu den FSC-Pionieren in Deutschland, „im Gründungsdokument des FSC in Deutschland findet sich auch meine Unterschrift“, sagt er. Seinen Wald bewirtschaftet er nachhaltig und nach den Grundsätzen naturgemäßer Waldbewirtschaftung. Das ist ihm wichtig. Duhr sagt, er habe eine Vision davon, wie er die Kraft seines Waldes nutzen will – natürliche Verjüngung und biologische Automation nennt er das.

Als Idealisten sieht er sich selbst nicht, denn er führt seinen Betrieb auch auf Basis von wirtschaftlichen Erwägungen. Es geht ihm durchaus darum, Gewinn zu machen. Und doch hat das FSC-Zertifikat für ihn einen wichtigen Anreiz: Und der liegt vor allem im Imagegewinn. „Ich habe Spaß daran, Dinge anders zu machen. Ich fühle mich mit diesem Image, ein wenig verrückt und anders zu sein, ganz gut.“ Hinzu kommt: Alle landwirtschaftlichen Betriebe in seinem Dorf werden nach ökologischen Gesichtspunkten geführt. Und mit dem FSC-Siegel fügt sich Duhr in dieses Konzept.

Zum Anfang

FSC bringt wirtschaftliche, ökologische und soziale Interessen zusammen

Wirtschaftliche Vorteile hat jedoch auch er noch nicht durch den FSC gehabt. „Ich habe weder einen höheren Ertrag, noch einen besseren Marktzugang. Sie kriegen hier in Brandenburg alles Holz verkauft, egal ob zertifiziert oder nicht.“ Vor 20 Jahren sei er davon ausgegangen, dass sich der Markt für nicht-zertifiziertes Holz schließe. Aber das sei selbst bei Tropenholz nicht der Fall.

Sein Zertifikat zurückgeben will Duhr dennoch nicht. „Die Frage ist eher, ob ich das Zertifikat noch schaffe. Die Veränderung vom Standard 2-3 zu 3-0 führt zu einem bürokratischen Mehraufwand, den ich langfristig nicht mehr mittragen kann.“ Er würde demnach nicht am erforderlichen Waldmanagement, sondern an den aus seiner Sicht überbordenden Dokumentationspflichten scheitern.
Zum Anfang
Letztlich befinden sich private Waldbesitzer wie Duhr und Freytag in einer schwierigen Situation. Ihre Probleme mit dem neuen Standard sind einerseits durchaus verständlich und nachvollziehbar. Andererseits führt der FSC eben nicht nur die Interessen der Forstleute und Forstbesitzer zusammen, sondern aller am Prozess beteiligten Gruppen – ob sie nun aus dem wirtschaftlichen, dem ökologischen oder dem sozialen Bereich kommen.

Für den FSC selbst stellt sich jedoch die Frage, welchen Platz private Waldbesitzer in dem System haben – und ob es nicht wünschenswert wäre, gerade jene Waldbesitzer mitzunehmen, die eigentlich im Geiste des FSC handeln, aber durch neue Vorschriften Probleme bekommen, ihren Wald weiterhin zertifizieren zu lassen.
Zum Anfang
Ob Lutz Freytag sein Zertifikat behält, weiß er noch nicht. Der jüngste Auditbericht für seine Zertifizierungsgruppe ist zwar positiv ausgefallen, aber aufgrund von Stürmen, Trockenheit und Insektenschäden werden die Holzmärkte jahrelang so überschwemmt, dass selbst Forstbetriebe, die von der Katastrophe verschont bleiben, keinen Absatz für ihr Hauptprodukt finden. „Wenn ich laufende Kosten habe, aber nichts verkaufen kann, hat der bürokratische Aufwand für ein Zertifikat erst recht wenig Sinn. Wir haben eine Durststrecke mit unbekanntem Ausgang vor uns und wenn es nicht bald regnet, ist jeder Wald gefährdet. Die Holzkunden würden die Abgabe des Zertifikats bedauern“, sagt Freytag. Die müssten dann ihr FSC-zertifiziertes Holz woanders kaufen – womöglich in Polen oder in Russland, wo die FSC-Standards u.a. Großkahlschläge erlauben.

Zum Anfang

Impressum

Angaben gemäß § 5 TMG:

Verein für verantwortungsvolle Waldwirtschaft e.V.
Postfach 5810
79026 Freiburg im Breisgau

FSC® F000213 • Das Zeichen für verantwortungsvolle Waldwirtschaft.

Vertreten durch:
Dirk Riestenpatt (Vorsitzender)
Dr. Uwe Sayer (Geschäftsführer)

Telefon:+49 (0) 761-386 53 50
Telefax:+49 (0) 761-386 50 79
E-Mail: info@fsc-deutschland.de

Hausanschrift (nur für Pakete und Besuchsverkehr):
Rehlingstr. 7
79100 Freiburg

(c) FSC Deutschland 2019
Betrieb der Webseite erfolgt durch: Gutes Holz Service GmbH
Registereintrag: Eintragung im Vereinsregister.
Registergericht: Amtsgericht Freiburg
Registernummer: VR 3218
Umsatzsteuer-ID: Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gemäß §27 a
Umsatzsteuergesetz: DE 812834550

Verantwortlich für den Inhalt nach § 55 Abs. 2 RStV:
https://www.fsc-deutschland.de/de-de/impressum

Haftungsausschuss:
https://www.fsc-deutschland.de/de-de/impressum

Quellenangaben für die verwendeten Bilder: FSC Deutschland/Lutz Freytag
https://www.fsc-deutschland.de/de-de
Autor:Sebastian Christ
Zum Anfang
Scrollen, um weiterzulesen Wischen, um weiterzulesen
Wischen, um Text einzublenden