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Callería

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Es ist früh am Tag im peruanischen Teil des Amazonasgebiet, als sich das Team des FSC mit Mitgliedern der Vereinigung für Forschung und integrale Entwicklung (Asociación para la Investigación y el Desarrollo Integral, AIDER) traf, um gemeinsam die lange Reise zur indigenen Gemeinde Callería anzutreten.

Vom vereinbarten Treffpunkt aus, dem Hafen von Pucallpa, einem der wichtigsten Häfen in der Region, fuhren sie mit einem kleinen Motorboot zu ihrem Ziel Callería. Nach fast zwei Stunden Fahrt erreichten sie die ersten Ausläufer des kleineren Flusses Callería. An diesem Punkt werden die Geräusche der Wälder erheblich lauter, als ob das gesamte Ökosystem erwacht wäre, um sie willkommen zu heißen. Hier gibt es keine großen Boote mehr und nur wenig Flussverkehr. Kurz vor Mittag erreichten sie dann die gleichnamige Gemeinde

Die Gemeinde Callería ist aufgeteilt in ein Siedlungsgebiet, ein landwirtschaftliches Gebiet, ein Jagdgebiet und ein Waldgebiet. Hier leben etwa 50 Familien der Volksgruppe der Shipibo-Conibo, die eine eigene Sprache haben. Die meisten von ihnen sprechen aber auch Spanisch, was die Verständigung erleichterte. Die wirtschaftlichen Aktivitäten der Gemeinde sind Holzernte, Fischfang und der Verkauf von Kunsthandwerk, wobei letzteres fast ausschließlich in der Verantwortung der Frauen liegt.

Das Siedlungsgebiet erstreckt sich entlang einer Hauptstraße, die mit Vegetation bedeckt ist und auf der Hühner frei umherflattern. Auf beiden Seiten der Straße befinden sich Häuser und das Gemeinschaftsgelände. Alle Gebäude stehen etwa 2 Meter über dem Bodenniveau, da zwischen den Monaten Januar und April starke Regenfälle häufig zu Überschwemmungen führen. Während der Regenzeit sind die Kanus der Handwerker das einzige Transportmittel in der Gemeinde und es ist nicht möglich, den Wald zu erreichen.
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In den vergangenen Jahrzehnten wurde der Gemeindewald ohne jegliche Managementplanung abgeholzt. Die Bewohner und andere Personen außerhalb der Gemeinde konzentrierten sich darauf, ohne Einschränkungen jene Baumarten zu fällen, die bei den Holzhändlern von Pucallpa grade am begehrtesten waren. Im Laufe der Jahre stellten sie jedoch fest, dass es immer schwieriger wurde, diese wertvollen Exemplare zu finden. Auch die Rinde, mit der die Frauen ihre handgefertigten Textilien färbten, wurde knapp. Es schien, als ob der Wald ihnen damit etwas mitteilen und seine Grenzen aufzeigen wollte.

Im Jahr 2000 begann die Gemeinde mit Unterstützung von AIDER einen Prozess zur Analyse und Entwicklung eines neuen, nachhaltigeren Ansatzes zur Waldbewirtschaftung. Nach fünf Jahren harter Arbeit und Engagement erhielten sie als erste Gemeindekonzession der Region die FSC-Zertifizierung für Waldbewirtschaftung. Der Lernprozess und die Verbesserung des Waldes gehen nun weiter, sodass sowohl die Gemeinde als auch der Wald davon profitieren.

Alba Solis, Direktorin von FSC Peru, erklärt, dass diese Arbeit und die Partnerschaft zwischen den indigenen Shipibo-Gemeinden und AIDER ein Meilenstein für FSC in dem Land war: „Sie waren eine der ersten zertifizierten Initiativen, die die Bedeutung und die Vorteile der Zertifizierung erkannt haben und unermüdlich daran arbeiten, ihre Heimat zu erhalten: den Amazonas-Regenwald.“
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Nach dem Treffen mit den Gemeindemitgliedern ging es mit dem Boot weiter vom Siedlungsgebiet der Gemeinde zum Wald. Ausgerüstet mit hohen Gummistiefeln, reflektierenden Westen und Schutzhelmen machten sie sich auf den Weg tiefer in den Wald.

Nach dem neuen Waldbewirtschaftungskonzept ist die Konzession, also der Wald den die Gemeinde bewirtschaften darf, in verschiedene Waldbewirtschaftungseinheiten unterteilt. Jedes Jahr erntet die Gemeinde nur in einer dieser Einheiten. Um die Einhaltung der FSC-Standards zu überprüfen, wird die Gemeinde regelmäßig bei einem sogenannten Audit kontrolliert. Zusätzlich gibt es auch einige Hektar Wald, die unter Naturschutz stehen. Jacobo Rodriguez, ein Mitglied der Gemeinde, sagte: „Wir sind hier, damit die Gemeinde Callería auch später noch einen Wald hat. Damit unsere Kinder und Enkelkinder Bäume haben und weiterhin mit der Natur arbeiten können.“

Alfredo Rojas, einer der Verantwortlichen für die Waldbewirtschaftung, erzählte, dass sich die Gemeinschaft vor der Ernte zuerst trifft, um einen Einsatzplan zu erstellen. Dann organisieren sie sich in Gruppen, um eine „Zählung“ des Waldes vorzunehmen. Später bereiten sie das Gebiet so vor, dass sie nach den festgelegten Richtlinien ernten können. „Von dort aus führen wir einen gezielten Holzeinschlag durch, wobei wir die minimalen Schnittdurchmesser und die minimalen Auswirkungen auf den Boden und die Vegetation beachten. Das war für uns ein langer Lernprozess. Früher hatten wir ohne Plan einfach drauf los geerntet.“
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Je weiter die Gruppe in den Wald vordrang, um weitere Parzellen im Wald zu besichtigen, auf denen vor einigen Jahren Holz geerntet wurde, desto mehr staunten sie darüber, wie durch nachhaltiges Management diese Wälder erhalten werden können. Die Parzellen sind bereits mit Vegetation bedeckt und neue Bäume wachsen neben denen, die gemäß dem Bewirtschaftungsplan intakt geblieben waren.

„Die nachhaltige Waldbewirtschaftung bringt uns viele Vorteile. Wir haben unsere Wohninfrastruktur verbessert, wir schaffen Arbeitsplätze, wir können uns wirtschaftlich selbst versorgen und tragen gleichzeitig zum Erhalt des Waldes bei“, erzählte Alfredo.

Derzeit werden nur 4 der 86 Holzarten, die im Produktionsgebiet identifiziert wurden, geerntet: Capirona (Calycophyllum spruceanum), Quinilla (Manilkara bidentata), Lagarto (Calophyllum brasiliense) und Utucuru (Septotheca tessmannii). Nach dem gezielten Einschlag des Holzes ist der nächste Schritt die primäre Verarbeitung., Dafür nutzen die Männer Kettensägen und andere ihnen zur Verfügung stehende Geräte. Sie sammeln das Material, holen es aus dem Wald und bringen es zum Hafen von Pucallpa. Ein Teil des Holzes wird verkauft, der andere geht an das Indigene Technologische Innovationszentrum (Centro de Innovación Tecnológica Indígena, CITE), das sich in der Stadt befindet.

„Im Moment drückt die große Menge von illegalem Holz auf dem Markt die Preise nach unten. Aber wir sind zuversichtlich, dass wir unsere anderen Ziele zusammen erreichen können. Wir sind davon inspiriert, ein Vermächtnis für die nächsten Generationen zu hinterlassen, ihre Zukunft zu sichern und einen Beitrag für die Welt zu leisten, indem wir den Klimawandel abmildern“, sagte Alfredo.
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Zurück in der Gemeinde ging das Team mit einer Gruppe von Frauen, die Stoffe entwerfen und besticken, aus denen sie verschiedene Produkte herstellen, von Glashaltern und Tischläufern bis hin zu Taschen und Kleidung. Riesige Webstühle, stehen in fast jedem Haus. Alle Artikel werden mit viel Liebe und Sorgfalt hergestellt. Schließlich handelt es sich um eine Kunstform, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde. „In den letzten Jahren hat sich die Gemeinschaft von Callería neu erfunden und Hand in Hand mit AIDER sich weiterentwickelt. Es ist gelungen einen größeren wirtschaftlichen Nutzen zu erzielen und die wichtige Rolle der Frauen in diesen Prozessen zu stärken“, erklärt Alba Solis von FSC Peru.

Der erste Schritt bei der Herstellung dieser Textilkunstwerke besteht darin, weißen Baumwollstoff aus dem Hafen von Pucallpa zu besorgen. Die Frauen schneiden ihn dann in Quadrate von etwa 2,5 Metern, damit er leichter zu handhaben ist. Das Färben erfolgt mit Baumrinde und anderen Pflanzen, die im Gemeindewald geerntet werden. Je nach gewünschter Farbe, verwenden sie verschiedene Pflanzenarten. Der Farbstoff der Yacushapana ist zum Beispiel dunkelbraun, während die Ushinpocote einen Ockerton ergibt. Vor der Umsetzung des Waldbewirtschaftungsplans mussten die Frauen immer weiter in den Wald gehen, um die Bäume zu finden, die sie für die Herstellung der Farbstoffe für die Stoffe benötigten. Jetzt müssen sie nicht mehr so weit reisen, um die geeigneten Arten zu finden.

Die Frauen kochen die Rinde, bis sie ihre Essenz abgibt, dann tauchen sie den Stoff darin. Später, wenn der holzbefeuerte Kochtopf abkühlt, breiten sie die Stoffe auf dem Boden aus, damit diese gleichmäßig im Sonnenlicht trocknen. Sobald sie getrocknet sind, werden sie in die Hütte gebracht und die Frauen malen sorgfältig uralte Muster auf den Stoff und tätowieren damit ein Stück Geschichte in die Baumwolle. Diese Muster malen die Frauen mit Flussschlamm, der sehr nährstoffreich ist. Der Schlamm dringt in die Baumwollstränge ein und färbt sie. Im nächsten Schritt waschen die Frauen den Stoff, so dass nur noch die tiefsten Flecken der Mischung übrig bleiben. Schließlich besticken die Frauen den Stoff mit farbigen Fäden, wobei sie den Mustern des geprägten Designs folgen und den Kontrast hervorheben. Dieser ganze Prozess dauert etwa 15 Tage, alles in Handarbeit.
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Sarela, eine der Anführerinnen der Gruppe und Alfredos Frau, erzählt: „Ich mag den Wald, weil ich die Rinde der Bäume für mein Handwerk verwenden kann. Meine Mutter hat mir schon als Kind beigebracht, wie man die Ayahuasca-Blume zeichnet und gestaltet. Es gibt mir viel Sicherheit zu wissen, dass die Rohstoffe aus einem Wald stammen, der gut gepflegt wird und über die Jahre erhalten bleibt.“

Sie erzählte außerdem, dass diese traditionelle Handwerkskunst ihr ein gutes Gefühl gibt, weil sie tief in ihrer Kultur verwurzelt ist und die Arbeit es ihr ermöglicht, einen relevanten Beitrag zum Einkommen ihres Haushalts zu leisten. Das Einkommen, das sie durch den Verkauf der Produkte erhält, und das Gehalt ihres Mannes haben es ihnen ermöglicht, ihren ältesten Sohn zum Studium in die Stadt Pucallpa zu schicken. „Ich möchte, dass die Leute kommen und Callería, unsere Arbeit und die Natur sehen.“    

Nachdem sie Carachama aßen, eine Art Flussfisch, mit Reis und Banane, hieß es für das Team Abschied nehmen und mit dem Boot zurück nach Pucallpa. Bevor sie abfuhren, bat Alfredo, eine Botschaft von ihm weiterzugeben: „Kommt und lernt die Gemeinschaft von Callería und den Wald kennen, seht wie wir arbeiten und unsere Techniken. Wir sind bereit, unsere Erfahrungen zu teilen, um mit der Welt zusammenzuarbeiten.“
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Bilder:
FSC International, Unsplash Vinicius Löw, Pixabay ramosiquitos

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